Weitere Informationen
Vor dem Hintergrund der erinnerungskulturellen Aufarbeitung des Ersten Weltkriegs im Jahr 2014 wurde deutlich, dass die vergleichende diachrone Erforschung der ‚Heimatfronten’ als zivilen „Resonanzräumen” des Krieges nach wie vor ein Desiderat darstellt. Während die Betrachtung von Kriegen aus der Perspektive der ‚Front’ wie auch die Beschäftigung mit vornehmlich militärgeschichtlichen Themen lange Zeit im Vordergrund standen, gibt es in der Forschung seit den großen Darstellungen von Münkler, Leonhard, Ziemann u.a. vermehrt Bestrebungen, Kriegsereignisse als Teil einer übergreifenden Geschichte der Gewalt im 20. Jahrhundert zu lesen. In diesem Kontext versteht sich der Themenschwerpunkt der Westfälischen Forschungen 2018 zum Thema „‚Heimatfronten’ und Kriegsgesellschaften” als Beitrag zu einer Gewaltgeschichte in den Umbruchzeiten der (Post-)Moderne. Zum einen wird dabei mit dem Begriff der ‚Heimatfront’ der Gegenstand territorial eingegrenzt. Zum anderen verweist dieser Begriff als propagandistische Neuschöpfung des Ersten Weltkriegs auf eine spezifische Deutung des Krieges, die sich die politische und militärische Führung zu eigen machten. Militärische Konflikte waren aus dieser Sicht nicht mehr auf ein eng umgrenztes Kampfgebiet – die Front – beschränkt, sondern erfassten in ihren Auswirkungen wie in den begleitenden Strategien auch das Gebiet, in dem sich die Zivilbevölkerung aufhielt, und damit diese selbst.
Weitere Beiträge des Bandes behandeln das historische Lehren und Lernen in der Region, Formen der Schadensbeobachtung und -bekämpfung im 18. Jahrhundert, die Teilnahme eines westfälischen Offiziers an den Kriegen 1792–1795 (und seine Eindrücke zu den unmittelbaren Folgen der Französischen Revolution nach Valmy), die masurische Zuwanderung ins Ruhrgebiet, die Tätigkeit von Martin Niemöller als Geschäftsführer der Inneren Mission in Münster in den 1920er Jahren sowie Einblicke in das Verhältnis von technischer Innovation und traditioneller Ökonomie am Beispiel des Energieträgers Wasserkraft und unter- bzw. überirdischer Verkehrsplanungen in Dortmund und Hagen nach 1945. Projektberichte aus dem SFB „Kulturen des Entscheidens” und zur Sparkassengeschichte Westfalens sowie Tagungs-, Zeitschriften- und Jahresberichte der wissenschaftlichen Kommissionen und ein Buchbesprechungsteil beschließen den 68. Band der WF, die nach dreißig Jahren „in blau” nun in neuem Design und Layout erscheinen.
Inhaltsverzeichnis
Julia Paulus / Marcus Weidner
‚Heimatfronten’ im Ersten und Zweiten Weltkrieg – Problemaufriss und Fragestellungen
S. 1–6
Daniel Schmidt
Heimatfront Industriegebiet – Der Raum Gelsenkirchen im Ersten Weltkrieg 1914–1918
S. 7–44
Lothar Kurz
„Enemies Within”. Wie ging das Münsterland im Ersten Weltkrieg mit ‚feindlichen Ausländern’ um?
S. 45–64
Daniel Samaga
Berichte von der protestantischen ‚Heimatfront’. Die Heimat-Grüße der evangelischen Gemeinde Schwerte im Ersten Weltkrieg
S. 65–82
Arnold Maxwill
Literarische Inszenierungen der ‚Heimatfront’ in Westfalen (1914–1926)
S. 83–122
Stefan Goch
Der Ruhrkampf in der Geschichtspolitik und in der Wahrnehmung der Bevölkerung Gelsenkirchens
S. 123–164
Sandra Holtrup
„So sind wir zwar getrennt, doch durch die Briefe fast täglich vereint”. Eine Kommunikation zwischen Heimat und Front am Beispiel der Feldpostkorrespondenz des Ehepaares Grete und Theo Strodthoff (1943)
S. 165–182
Tobias Hirschmüller
Geschichtskultur in Kriegsgesellschaften. Das Bismarckbild in den beiden Weltkriegen im Rheinland und in Westfalen
S. 183–222
Historisches Lehren und Lernen in regionaler Perspektive
Bernd Mütter
Regionalgeschichte und historisches Lernen am Beispiel des ländlichen Strukturwandels. Oldenburg und Paderborn im Vergleich (1871–1914)
S. 223–238
Barbara Hanke
„… wieder durchaus im Geist wissenschaftlicher Objektivität”? - Geschichtsunterricht im Übergang an den höheren Schulen Westfalens 1918/19
S. 239–246
Weitere Beiträge
Gerhard E. Sollbach
Brandverhütung und Brandbekämpfung am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts – Norm und Praxis in der Stadt Wetter an der Ruhr
S. 247–260
Horst Conrad
Ein preußischer Offizier im Revolutionskrieg 1792–1795. Das Feldzugstagebuch des Franz von Bockum-Dolffs
S. 261–288
Johannes Hofmeister
„Die abnorme Dürre von Ende März bis Mitte Mai”. Klima- und Wetterbeschreibungen des 18. und 19. Jahrhunderts als historische Quellen - Befunde aus den Beständen des Landesarchivs NRW (Abteilung Westfalen)
S. 289–306
Christian Zumbrägel
Vom Verschwinden und Fortbestehen des Alten – Kleinwasserkraft an Ruhr und Wupper (1860–1920)
S. 307–334
Wilfried Reininghaus
Masurische Zuwanderung ins Ruhrgebiet im Spiegel der standesamtlichen Eheregister. Das Amt Wanne als Beispiel (1880–1925)
S. 335–356
Benjamin Ziemann
Kampf gegen die „Gottlosen”. Martin Niemöller als Geschäftsführer des westfälischen Provinzialverbandes der Inneren Mission 1924–1931
S. 357–380
Thomas Urban
Mobilität in neuen Bahnen: Innovative Verkehrsprojekte und ihre Akteure in Westfalen nach 1945 am Beispiel der Dortmunder Stadtbahn und des Hagener Cabinentaxis
S. 381–404
Forschungsberichte
Werner Freitag
Entscheidungsgesellschaften? Dörfer und Kleinstädte in Westfalen um 1900. Ein Bericht aus dem Teilprojekt C 05 des SFB 1150 „Kulturen des Entscheidens” an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Laufzeit 1. Juli 2015 – 30. Juni 2019)
S. 405–418
Harald Wixforth
Die Sparkassen in Westfalen und ihre Geschichte
S. 419–440
Tagungsberichte
Antonia Gießmann-Konrads / Darius Harwardt
„Industrielle Arbeitswelt und Nationalsozialismus. Der Betrieb als Laboratorium der ‚Volksgemeinschaft’ 1920–1960”, Gelsenkirchen 11.–13. Oktober 2017
S. 441–450
Regina Göschl
„Willkommenskulturen? Re-Aktionen der Aufnahmegesellschaften auf Flucht und Vertreibung im Vergleich (1945–1955)”, Münster 14.–15. Dezember 2017
S. 451–454
Nachruf
Karl Ditt
Stephanie Reekers (17. November 1917 – 21. September 2017)
S. 455–462
Jahresberichte 2017
Kathrin Nolte
LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte
S. 463–472
Burkhard Beyer / Katrin Jaspers / Florian Steinfals
Historische Kommission für Westfalen
S. 473–477
Vera Brieske
Altertumskommission für Westfalen
S. 478–482
Christiane Cantauw
Volkskundliche Kommission für Westfalen
S. 483–488
Rudolf Grothues
Geographische Kommission für Westfalen
S. 489–493
Markus Denkler
Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens
S. 494–497
Walter Gödden
LWL-Literaturkommission für Westfalen
S. 498–504
Zeitschriftenschau
Klaus Schultze
Ausgewählte Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde Westfalens in Periodika des Jahres 2017
S. 505–532
Buchbesprechungen
Politische Geschichte
Thomas Großbölting
1968 in Westfalen. Akteure, Formen und Nachwirkungen einer Protestbewegung
Besprochen von David Templin
S. 533–535
Barbara von Hindenburg
Die Abgeordneten des Preußischen Landtags 1919–1933. Biographie – Herkunft – Geschlecht
Besprochen von Wilfried Reininghaus
S. 535–537
Konrad Repgen
Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede, Studien und Quellen
Besprochen von Horst Conrad
S. 537–539
Andreas Rutz
Die Beschreibung des Raums. Territoriale Grenzziehungen im Heiligen Römischen Reich
Besprochen von Wilfried Reininghaus
S. 540–542
Martin Schlemmer
Die Kabinettsprotokolle der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen 1975 bis 1980 (Achte
Wahlperiode)
Martin Schlemmer (Hrsg.)
Digitales Edieren im 21. Jahrhundert
Zusammen besprochen von Thomas Küster
S. 542–545
Carl Philipp Tenge-Rietberg (Hrsg.)
400 Jahre Schloss Holte. Aus der Geschichte der ehemaligen Grafschaft Rietberg
Besprochen von Johannes Altenberend
S. 546–547
Michael P. Vollert
Für Ruhe und Ordnung. Einsätze des Militärs im Innern (1820–1918). Preußen - Westfalen –
Rheinprovinz
Besprochen von Thomas Tippach
S. 547–548
Religion und Kirche
Werner Freitag
Die Reformation in Westfalen. Regionale Vielfalt, Bekenntniskonflikt und Koexistenz
Besprochen von Hans Otte
S. 548–551
Ingo Grabowsky u.a.
Luther. 1917 bis heute
Besprochen von Philipp Sölken
S. 551–555
Johannes Stüer
Der Röhrentruper Rezess von 1617. Religion und Politik in Lippe am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges
Besprochen von Lena Krull
S. 555–557
Soziale Gruppen
Sabine Eibl
Küster im Fürstbistum Münster. Stabsdisziplinierung, Gemeindeansprüche und Eigeninteressen im konfessionellen Zeitalter
Besprochen von Leopold Schütte
S. 557–558
Karl Christian Führer
Gewerkschaftsmacht und ihre Grenzen. Die ÖTV und ihr Vorsitzender Heinz Kluncker 1964–1982
Besprochen von Matthias Frese
S. 558–561
Andreas Müller
Die Ritterschaft im Herzogtum Westfalen 1651–1803. Aufschwörung, innerer Struktur und Prosopographie
Besprochen von Horst Conrad
S. 561–563
Rainer Pöppinghege
Schloss Benkhausen. Vom Rittersitz zum Ort der Bildung
Besprochen von Horst Conrad
S. 563–564
Michael Schneider
In der Kriegsgesellschaft. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1939 bis 1945
Besprochen von Matthias Frese
S. 564–567
Wissenschaft und Erinnerungspolitik
Werner Freitag / Wilfried Reininghaus (Hrsg.)
Westfälische Geschichtsbaumeister. Landesgeschichtsforschung und Landesgeschichtsschreibung im 19. und 20. Jahrhundert
Besprochen von Eckhard Trox
S. 567–572
Matthias Frese / Marcus Weidner (Hrsg.)
Verhandelte Erinnerungen. Der Umgang mit Ehrungen, Denkmälern und Gedenkorten nach 1946
Besprochen von Rainer Pöppinghege
S. 573–574
Biographien
Guido von Büren / Ralf-Peter Fuchs / Georg Mölich (Hrsg.)
Herrschaft, Hof und Humanismus. Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg und seine Zeit
Besprochen von Sebastian Schröder
S. 575–578
Elisabeth Hömberg
Dein Volk ist mein Volk. Thy People – My People. Tagebuch und Briefe 1938–1946
Besprochen von Bernd Weber
S. 578–583
Jürgen Scheffler / Stefan Wiesekopsieker (Hrsg.)
Starke Frauen in der Kunst. Künstlerinnen im Aufbruch zur Moderne. Von Ida Gerhardi bis Ilse Häfner-Mode
Besprochen von Ursula Krey
S. 583–587
Stadt- und Ortsgeschichte
Reiner Ahlborn
Wahlen und Wähler in Hüsten während der Weimarer Republik
Besprochen von Wilfried Reininghaus
S. 587–588
Guido Heinzmann / Christa Setzer / Heinz-Dieter Steven / Josef Ulfkotte (Hrsg.)
Chronik der Stadt und Bürgermeisterei Dorsten. Quellenedition zur Geschichte der Städte Dorsten und Marl in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Besprochen von Horst Conrad
S. 588–590
Michael Koch / Andreas König / Gerhard Streich
Höxter – Geschichte einer westfälischen Stadt
Besprochen von Leopold Schütte
S. 590–591
Alexander Kraus / Daniel Schmidt (Hrsg.)
Eine Geschichte des modernen Gelsenkirchena in 25 Objekten
Besprochen von Philipp Sölken
S. 591–594
Kristina Nowak-Klimscha
Die früh- bis hochmittelalterliche Wüstung Twesine im Hochsauerlandkreis. Siedlungsentwicklung an der Grenze zum Frankenreich
Besprochen von Wilfried Reininghaus
S. 594–596
Cordula Obergassel
„Das ist doch keine Kunst!”. Kulturpolitik und kultureller Wandel in Dortmund und Münster (1960–1985)
Besprochen von Sarah Thieme
S. 596–599
Dieter Overhageböck
Das Urkataster der Altstadt von Münster 1828–1830. Grundeigentümer in Karten und Tabellen
Besprochen von Peter Burg
S. 599–601
Autorinnen und Autoren
S. 603–604