Das kirchliche Straf- und Sanktionsrecht sowie dessen Verhältnis zum staatlichen Strafrecht haben in der öffentlichen Wahrnehmung über einen langen Zeitraum hinweg ein Schattendasein geführt. Vor allem die Fälle sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen und in der evangelischen Kirche haben dies in jüngerer Zeit fundamental geändert. Sie haben nicht nur die Bedeutung des kirchlichen Strafrechts verdeutlicht, sondern auch die kirchlichen Gesetzgeber aktiv werden lassen.
Herausforderungen, die das Verhältnis von Staat und Kirche berühren, stellen sich indes nicht nur mit Blick auf das kirchliche, sondern auch auf das staatliche Strafrecht. Das belegen etwa Fälle religiös motivierten zivilen Ungehorsams. Daneben steht das staatliche Strafrecht auch dort vor einer Bewährungsprobe, wo es dem Schutz von Religion und Religionsgemeinschaften dient. Hier stellt sich die Frage, in welchem Bereich religiös konnotierter gesellschaftlicher Konflikte der Einsatz des Strafrechts verfassungsrechtlich zu rechtfertigen und verfassungspolitisch zu empfehlen ist.
Die neue Aktualität der Materie war Grund dafür, das kirchliche und staatliche Strafrecht zum Gegenstand der 59. „Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche“ zu machen und damit dem Strafrecht – seinen historischen Bezügen, seinen Anwendungsfeldern im kirchlichen und staatlichen Bereich, seinen Möglichkeiten und Grenzen, dem hier vorzufindenden Verhältnis von kirchlichem und staatlichem Recht – erstmals in der nahezu sechzigjährigen Geschichte der Veranstaltungsreihe eine eigene Tagung zu widmen. Diese suchte in ihrem ersten Teil eine Annäherung an das kirchliche und staatliche Strafrecht aus historischer Sicht. In ihrem zweiten Teil behandelte sie aus der Perspektive sowohl des kanonischen Rechts als auch des evangelischen Kirchenrechts zunächst die Möglichkeiten und Grenzen des geltenden kirchlichen Strafrechts. Auf der Basis dieser kirchenrechtlichen Grundlegung wandte sie ihr Augenmerk hernach speziell dem sexuellen Missbrauch zu. Hiervon ausgehend erörterte sie in ihrem dritten Teil das Verhältnis von kirchlichem und staatlichem Strafrecht. Im Anschluss richtete sie den Blick in ihrem vierten und letzten Teil schließlich auf das staatliche Strafrecht.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort • VII
Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck, Essen
Eröffnung der Tagung • 1
Professor Dr. Arnd Uhle, Leipzig
Einführung in die Tagung • 7
Professor Dr. Stephan Dusil, Tübingen
Verflechtungen kirchlichen und staatlichen Strafrechts aus
historischer Perspektive • 14
Leitsätze zum Vortrag • 34
Professor Dr. Sabine Konrad, Innsbruck
Möglichkeiten und Grenzen des kirchlichen Straf- und
Sanktionsrechts – Die Perspektive des kanonischen Rechts • 36
Leitsätze zum Vortrag • 59
Oberkirchenrat Dr. Christoph Thiele, Hannover
Möglichkeiten und Grenzen des kirchlichen Straf- und
Sanktionsrechts – Die Perspektive des evangelischen
Kirchenrechts • 61
Leitsätze zum Vortrag • 77
Dr. Manfred Bauer, Rom
Der sexuelle Missbrauch als Bewährungsprobe für das
kirchliche Straf- und Sanktionsrecht • 80
Leitsätze zum Vortrag • 106
Professor Dr. Dr. Alexander Ignor, Berlin
Das Verhältnis von kirchlichem und staatlichem Strafrecht • 108
Leitsätze zum Vortrag • 122
Professor Dr. Dr. h. c. Martin Heger, Berlin
Religiös motivierter ziviler Ungehorsam und staatliches
Strafrecht • 125
Leitsätze zum Vortrag • 140
RiOLG Dr. Barbara Rox, Braunschweig
Schutz von Religion und Religionsgemeinschaften durch
das staatliche Strafrecht • 142
Leitsätze zum Vortrag • 163
Leitung der Tagung:
Professor Dr. iur. Arnd Uhle, Leipzig
Anhang
A. Verzeichnis der Referenten • 165
B. Sachwortregister • 168
C. Personenregister • 176