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Das aus der Gegenwartssprache stammende Begriffspaar „Inklusion/Exklusion” dient seit den 1990er Jahren zur kritischen Selbstbeschreibung westlicher Gesellschaften. Inklusion ist heute Teil zahlreicher sozial-, bildungs-, und kulturpolitischer Programme und Projekte in der Bundesrepublik. Sie scheint dann verwirklicht, wenn alle Menschen unabhängig von den Kriterien und Eigenschaften, die sie unterscheiden, möglichst umfassend am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Der Begriff Exklusion hingegen wird häufig eher vage verwendet, um zu kennzeichnen, welche sozialen Phänomene und Konstellationen vermieden oder aufgehoben werden sollen.
Der Themenschwerpunkt des Bandes 65 behandelt Praktiken der Inklusion und Exklusion in historischer und regionaler Perspektive: Gefragt wird, wie soziale Differenzierung Inklusions- und Exklusionsphänomene im 19. und 20. Jahrhundert bestimmt hat. Im Mittelpunkt stehen dabei Kategorien wie Ethnizität, Nationalität, Klasse, Schicht, (Nicht-)Behinderung, chronische Krankheit, sexuelle Orientierung bzw. die jeweilige Konzeption dessen, was insbesondere von staatlicher und kirchlicher Seite als „normal” angesehen wird und was nicht. Fallstudien – u.a. zum Umgang mit Armut auf dem Lande, zur Heimerziehung und zu den Auswirkungen der Psychiatriereform in Westfalen – veranschaulichen Inklusions- und Exklusionsprozesse in der Geschichte und vermitteln neue Einsichten zum gesellschaftlichen Umgang mit menschlicher Differenz.
Ein zweiter Schwerpunkt widmet sich den Nutzungsmöglichkeiten und den methodischen Problemen, die bei der Auswertung überlieferter (älterer) Interviews und Ego-Dokumente zum Zweiten Weltkrieg und zur Nachkriegszeit entstehen. Weitere Einzelbeiträge behandeln die Arbeitsmigration im Amt Rietberg während des 19. Jahrhunderts, die Kinderlandverschickung in Hagen im und nach dem Ersten Weltkrieg, den Umgang mit lokalen Erinnerungsorten in Münster nach 1945, das von den Amerikanern im Film dokumentierte Vorrücken der US-Armee in Westfalen sowie die wirtschaftlichen und redaktionellen Herausforderungen, mit denen sich auch die westfälischen Tageszeitungen seit 1990 konfontiert sehen. Ein Nachruf auf den Landeshistoriker und langjährigen Institutskollegen Karl-Heinz Kirchhoff, Tagungs- und Jahresberichte, Zeitschriftenschau und ein umfangreicher Rezensionsteil beschließen die Westfälischen Forschungen 2015.
Inhaltsverzeichnis
Inklusion/Exklusion in regionalgeschichtlicher Perspektive
Elsbeth Bösl
Einführung in den Themenschwerpunkt
S. 1–16
Beate Althammer
Grenzregime: Mobilität, Freizügigkeit und die Ausweisung von Fremden im 19. Jahrhundert
S. 17–36
Eva-Maria Lerche
Inklusion/Exklusion in der preußischen Armenfürsorge. Überlegungen zum westfälischen Landarmenverband und Landarmenhaus Benninghausen (1844–1891)
S. 37–56
Andreas Henkelmann
,Gottvater’ und seine ,Kinder’: Inklusion und Exklusion im katholischen Milieu des Kaiserreichs
S. 57–76
Désirée Schauz
Gefängnisbeiräte als institutionelle Inklusionsstrategie. Ein ungeliebtes Kind der Weimarer Strafvollzugsreform
S. 77–106
Ylva Söderfeldt
,Opfer der Arbeit’. Verkörperte Differenz in der Arbeiterbewegung 1917–1933
S. 107–130
Annelie Ramsbrock
Körperpolitik als Sozialpolitik. „Entstellungsfürsorge” in der Weimarer Republik
S. 131–148
Anne Kugler-Mühlhofer
Mit den Erinnerungen des Vaters leben – Erfahrung von Zwangsarbeit aus der Sicht einer Tochter
S. 149–168
Uwe Kaminsky
Heimerziehung als Exklusions-/Inklusionsprozess (1878–1975)
S. 169–192
Hans-Walter Schmuhl / Ulrike Winkler
Die Entdeckung des Geschlechts. Der Umgang mit Sexualität und Partnerschaft in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel im Wandel
S. 193–220
Judith Samson / Willy Jansen / Catrien Notermans
,Gender-Ideologie’ oder Minderheitenrechte? Wie katholische FundamentalistInnen in Europa Nichtheterosexualität darstellen
S. 221–236
Zeitzeugenschaft und mündliche Erinnerung. Chancen und Probleme der Sekundäranalyse von Interviews und Ego-Dokumenten zum Zweiten Weltkrieg und zur Nachkriegszeit
Matthias Frese / Julia Paulus
Zeitzeugenschaft und mündliche Erinnerung. Zur Sekundäranalyse von Oral-History-Interviews – Einführung und Fragestellungen
S. 237–242
Linde Apel
Oral History reloaded. Zur Zweitauswertung von mündlichen Quellen
S. 243–254
Almut Leh
Vierzig Jahre Oral History in Deutschland. Beitrag zu einer Gegenwartsdiagnose von Zeitzeugenarchiven am Beispiel des Archivs „Deutsches Gedvchtnis”
S. 255–168
Philipp Koch
Biografische Zeitzeugeninterviews – authentisches Erfahrungskapital oder wertloses Geschichtskonstrukt? Chancen und Risiken historischer Forschung im Tonarchiv des Mindener Museums
S. 269–282
Dagmar Kift / Olaf Schmidt-Rutsch
Tonband – Vitrine – Digitalisat. Das Erinnerungsarchiv des LWL-Industriemuseums
S. 283–292
Brigitte Halbmayr
Chancen und Probleme der Sekundäranalyse von ZeitzeugInneninterviews in der historischen
Forschung
S. 293–306
Sabine Beckmann
Möglichkeiten und Grenzen einer Sekundäranalyse qualitativer historischer Daten – Reflexionen aus der qualitativen Sozialforschung
S. 307–316
Thomas Schürmann
Erinnerung in Fragmenten. Erzählungen zur NS- und Nachkriegszeit in Interviews aus dem Archiv für westfälische Volkskunde
S. 317–334
Weitere Beiträge
Alwin Hanschmidt
Nach Holland, zum Eisenbahnbau und nach Amerika. Wanderarbeit und Abwanderung im Amt Rietberg im 19. Jahrhundert
S. 335–366
Gerhard E. Sollbach
Die Not der Kinder. Landverschickung im und nach dem Ersten Weltkrieg im Stadt- und Landkreis Hagen
S. 367–394
Jan Matthias Hoffrogge
Erinnerungsorte in Münster. Die Droste, die Täufer, der Westfälische Friede und der Kiepenkerl
zwischen Weimarer und früher Bonner Republik
S. 395–422
Markus Köster
Westfalen 1945 im Fokus der Amerikaner: US-Filmaufnahmen vom Ende des Zweiten Weltkriegs
S. 423–448
Kathrin Nolte
Westfälische Tageszeitungen in der Krise: Auflagenschwund, Pressekonzentration und Neuausrichtungen seit 1990
S. 449–462
Tagungsberichte
Korbinian Böck / Tano Gerke
Tagungsbericht „Neue Soziale Bewegungen in der ,Provinz’ (1970–1990)”
S. 463–472
Korbinian Böck / Magnus Tintrup gen. Suntrup
Tagungsbericht „Die Externsteine. Ein Denkmal als Objekt wissenschaftlicher Forschung und Projektionsfläche völkischer Vorstellungen”
S. 473–480
Nachruf
Peter Johanek
Karl-Heinz Kirchhoff (1925–2014)
S. 481–490
Jahresberichte 2014
Kathrin Nolte
LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte
S. 491–500
Burkhard Beyer / Dörthe Gruttmann
Historische Kommission für Westfalen
S. 501–505
Vera Brieske
Altertumskommission für Westfalen
S. 506–510
Christiane Cantauw
Volkskundliche Kommission für Westfalen
S. 511–514
Rudolf Grothues
Geographische Kommission für Westfalen
S. 515–519
Markus Denkler
Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens
S. 520–523
Walter Gödden
LWL-Literaturkommission für Westfalen
S. 524–530
Zeitschriftenschau
Klaus Schultze
Ausgewählte Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde Westfalens in Periodika des Jahres 2014
S. 531–564
Buchbesprechungen
Landesgeschichte allgemein
Karl Ditt u.a.
Westfalen in der Moderne 1815–2015. Geschichte einer Region
Besprochen von Wilfried Reininghaus
S. 565–572
Harm Klueting (Hrsg.)
Das Herzogtum Westfalen, Bd. 2: Das ehemalige kurkölnische Herzogtum Westfalen im Bereich der heutigen Kreise Hochsauerland, Olpe, Soest und Märkischer Kreis (19. und 20. Jahrhundert), 2
Teilbde.
Besprochen von Thomas Küster
S. 572–574
Robert Kretzschmar / Anton Schindling / Eike Wolgast (Hrsg.)
Zusammenschlüsse und Neubildungen deutscher Länder im 19. und 20. Jahrhundert
Besprochen von Peter Burg
S. 574–578
Wilfried Reininghaus / Bernd Walter (Hrsg.)
Räume, Grenzen, Identitäten. Westfalen als Gegenstand landes- und regionalgeschichtlicher Forschung
Besprochen von Carl-Hans Hauptmeyer
S. 578–582
Christiane Schröder / Heike Düselder / Detlef Schmiechen-Ackermann / Thomas Schwark / Martin Stöber (Hrsg.)
Geschichte, um zu verstehen. Traditionen, Wahrnehmungsmuster, Gestaltungsperspektiven. Carl-Hans Hauptmeyer zum 65. Geburtstag
Besprochen von Peter Burg
S. 582–586
Politische Geschichte, Verwaltungs- und Rechtsgeschichte
Hartmut Bösche
Holste und Hoya – Reformation an der Mittelweser
Besprochen von Marvin Derksen
S. 586–587
Heinz Duchhardt
Der Westfälische Friede im Fokus der Nachwelt
Besprochen von Magnus Ulrich Ferber
S. 588–589
Annette Gerstenberg (Hrsg.)
Verständigung und Diplomatie auf dem Westfälischen Friedenskongress. Historische und sprachwissenschaftliche Zugänge
Besprochen von Magnus Ulrich Ferber
S. 590–592
Jens Heckl (Hrsg.)
Unbekannte Quellen: „Massenakten” des 20. Jahrhunderts. Untersuchungen seriellen Schriftguts aus normierten Verwaltungsverfahren, Bd. 2
Besprochen von Thomas Küster
S. 592–594
Ursula Knäpper
Die Hoch- und Herrlichkeit Heessen. Geschichte eines Gerichtes und seiner Jurisdiktion mit einem besonderen Blick auf die Verfahren gegen das crimen magiae (1543–1612)
Besprochen von Nicolas Rügge
S. 594–597
Michael Lagers
Der Paderborner Stiftsadel zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Untersuchungen zum Auf- und Ausbau niederadliger Machtstrukturen
Besprochen von Horst Conrad
S. 597–599
Paul Leidinger (Hrsg.)
Deutsche Ostflüchtlinge und Ostvertriebene in Westfalen und Lippe nach 1945. Beiträge zu ihrer Geschichte und zur deutsch-polnischen Verständigung
Besprochen von Benedikt Brunner
S. 599–601
Barbara Stollberg-Rilinger / Tim Neu / Christina Brauner (Hrsg.)
Alles nur symbolisch? Bilanz und Perspektiven der Erforschung symbolischer Kommunikation
Stefan Thäle
Herrschertod und Herrscherwechsel. Kommunikative Strategien und medialer Wandel in der Grafschaft Lippe des 18. Jahrhunderts
Zusammen besprochen von Peter Burg
S. 601–605
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
Frank Hoffmann
„Ein den thatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild nicht zu gewinnen”. Quellenkritische Untersuchungen zur preußischen Gewerbestatistik zwischen Wiener Kongress und
Reichsgründung
Besprochen von Thomas Küster
S. 605–608
Theo Plesser / Hans-Ulrich Thamer (Hrsg.)
Arbeit, Leistung und Ernährung. Vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie in Berlin zum Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie und Leibnitz Institut für Arbeitsforschung in Dortmund
Besprochen von Matthias Frese
S. 608–613
Christian F. Seidler
Das ältere Protokollbuch der Sprockhöveler Markengenossenschaft. Die Höltings-Protokolle von 1634 bis 1664 – vollständige Quellenedition
Besprochen von Wilfried Reininghaus
S. 613–614
Dieter Ziegler (Hrsg.)
Rohstoffgewinnung und Strukturwandel. Der deutsche Bergbau im 20. Jahrhundert
Besprochen von Horst Conrad
S. 614–617
Konfession und Kirche
Erwin Gatz / Marcel Albert (Hrsg.)
1700 Jahre Christentum in Nordrhein-Westfalen. Ein Atlas zur Kirchengeschichte
Besprochen von Martin Dröge
S. 617–618
Lena Krull
Prozessionen in Preußen. Katholisches Leben in Berlin, Breslau, Essen und Münster im 19. Jahrhundert
Besprochen von Philipp Sölken
S. 618–621
Joachim Kuropka (Hrsg.)
Grenzen des katholischen Milieus. Stabilität und Gefährdung katholischer Milieus in der Endphase der Weimarer Republik und in der NS-Zeit
Besprochen von Peter Burg
S. 621–625
Markus Müller
Das Deutsche Institut für wissenschaftliche Pädagogik 1922–1980. Von der katholischen Pädagogik zur Pädagogik von Katholiken
Besprochen von Bernd Weber
S. 625–628
Klaus Schatz
Geschichte der deutschen Jesuiten (1814–1983), 5 Bde.
Besprochen von Peter Burg
S. 629–633
Sieglind Stork
Das Theater der Jesuiten in Münster (1588–1773). Mit Editionen des ,Petrus Telonarius’ von 1604 und der ,Coena magna’ von 1632
Besprochen von Philipp Sölken
S. 633–636
Manfred Wolf
Visitationen im Herzogtum Westfalen in der Frühen Neuzeit
Besprochen von Horst Conrad
S. 636–637
Architektur, Wissenschaft und Medien
Markus Behmer / Birgit Bernard / Bettina Hasselbring (Hrsg.)
Das Gedächtnis des Rundfunks. Die Archive der öffentlich-rechtlichen Sender und ihre Bedeutung für die Forschung
Besprochen von Martin Stallmann
S. 638–640
Birthe Franziska Heitkötter
Geburtshilfe und Gynäkologie im Nationalsozialismus. Peter Esch und die Frauenklinik der Universität Münster von 1925 bis 1950
Besprochen von Korbinian Böck
S. 640–643
Karl Eugen Mummenhoff / Gerd Dethlefs
Schloss Nordkirchen
Besprochen von Marvin Derksen
S. 643–645
Peter Vormweg
Die Neugotik im westfälischen Kirchenbau von den ersten Gotizismen bis zum Kulturkampf
Besprochen von Johannes Sander
S. 646–651
Stadt- und Ortsgeschichte
Jürgen Büschenfeld / Bärbel Sunderbrink (Hrsg.)
Bielefeld und die Welt. Prägungen und Impulse
Besprochen von Dörthe Gruttmann
S. 652–654
Albrecht Eckhardt (Hrsg.)
Oldenburgisches Ortslexikon. Archäologie, Geografie und Geschichte des Oldenburger Landes,
3 Bde.
Besprochen von Klaus Schultze
S. 654–655
Thomas Großbölting (Hrsg.)
Hindenburg- oder Schlossplatz? Was die Debatte über Münster verrät
Besprochen von Matthias Frese
S. 656–658
Detlef Grothmann
Salzkotten 1945–1975. Teil 1: Mangel, Improvisation, Aufbruch. Salzkotten 1945–1948
Besprochen von Dörthe Gruttmann
S. 659–662
Jürgen Herres
Köln in preußischer Zeit 1815–1871
Besprochen von Thomas Parent
S. 662–665
Franz-Werner Kersting / Clemens Zimmermann (Hrsg.)
Stadt-Land-Beziehungen im 20. Jahrhundert. Geschichts- und kulturwissenschaftliche Perspektiven
Besprochen von Wilfried Reininghaus
S. 665–667
Daniel Schmidt (Hrsg.)
„Bin noch gesund und munter”. Gelsenkirchener Feldpost aus dem großen Krieg 1914–1918
Besprochen von Julia Paulus
S. 668–670
André Schnepper
Prozesse der Machtergreifung in einer katholischen Kleinstadt: Das Beispiel Billerbeck
Besprochen von Bernd Weber
S. 670–673
Christian Steinhagen
Münster 1914–1918. Eine Stadt im Krieg
Besprochen von Korbinian Böck
S. 673–674
Gisbert Strotdrees
Tatort Dorf. Historische Kriminalfälle vom Land
Besprochen von Korbinian Böck
S. 675–676
Autorinnen und Autoren
S. 677–678