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Die hl. Hedwig von Schlesien (1174/78- 1243) ist als Brückenfigur der Geschichte dreier Länder (Deutschlands, Österreichs und Polens) vom ausgehenden Mittelalter bis in die Gegenwart von politischem und praktisch religiösem Interesse gewesen. Im Laufe des 14.-15. Jahrhunderts von gleich vier europäischen Adelsgeschlechtern (Piasten, Habsburg, Öttingen, Henneberg) als Geblütsheilige beansprucht, war sie zu Zeiten der Reformation Gegenstand von Glaubenskämpfen. An der Schwelle zum industriellen Zeitalter avancierte sie zur Leitfigur einer ethisch ausgerichteten Modernekritik. Im 20./21. Jahrhundert einschließlich des Pontifikats Johannes Pauls II. hat sie vor allem als Symbolgestalt der Völkerverständigung zwischen Deutschen und Polen fungiert. Daneben entwickelte sich seit den Lebzeiten Hedwigs ein bis heute lebendiger Kultus der Verehrung und Fürbitte. Neben dem hl. Adalbert und dem hl. Stanislaus ist sie die wichtigste Schutzheilige Schlesiens und Polens.
Die für die Lebensgeschichte Hedwigs ergiebigste Quelle ist die um 1300 von einem unbekannten Gelehrten verfasste lateinische Vita beate Hedwigis, die seit dem späten 14. Jahrhundert mehrfach ins Deutsche übersetzt wurde. Die hier vorgelegte Edition bietet erstmals die bislang von der Forschung kaum beachtete fränkische Übersetzung des Franziskaners Kilian von Meiningen. Diese wurde in der historischen Chronologie als zweite deutsche Voll-Übersetzung im Jahr 1424 vermutlich im Auftrag der Gräfin Mechthild von Henneberg abgeschlossen. Grundlage ist die unikale Überlieferung des Texts in der Handschrift G 189 der Gymnasialbibliothek Schleusingen.
Darüber hinaus erschließt das Buch die deutsche Hedwigslegende nunmehr einem breiten Rezipientenkreis. Durch die Beigabe von Wort- und Sacherläuterungen und einer neuhochdeutschen Übersetzung wird der Text sowohl für interessierte Laien als auch für den akademischen Unterricht nutzbar. Normalisierende Eingriffe in die Textgestalt werden dagegen auf ein Minimum beschränkt, so dass der Originaltext in einer Form geboten wird, die seine wissenschaftliche Auswertung sowohl in sprachhistorischer als auch literarischer Perspektive ermöglicht.
Ein ausführliches Nachwort bietet eine literaturgeschichtliche Einordnung der Legende, Untersuchungen zu Autor und Entstehungskontext der fränkischen Übersetzung und eine Handschriftenbeschreibung. Ein Orts- und Namenregister beschließt den Band.
Über den Autor
Sabine Seelbach hat an der Universität Leipzig Germanistik und Philosophie studiert, wo sie 1986 promoviert wurde. Danach arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin für Ältere deutsche Literatur in Leipzig, als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsstelle „Deutsche Texte des Mittelalters (DTM)“ an der Akademie der Wissenschaften zu Berlin und im Sonderforschungsbereich 231 der DFG an der Universität Münster. 1999 Habilitation in Heidelberg. Es folgten Professurvertretungen u.a. in Osnabrück und Freiburg. Von 2003 bis 2009 war sie Professorin für Literaturwissenschaft und Ästhetik an der Universität Opole (Polen), 2009–2010 Universitätsprofessorin in Wien. Seit 2011 hat sie die Universitätsprofessur für Ältere deutsche Literatur und Sprache an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt inne.
2009 wurde sie für den Max-Planck-Forschungspreis für "Historische Gedächtnisforschung" nominiert. Zahlreiche Publikationen zur deutschen und lateinischen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit in kulturwissenschaftlichen Bezügen.